Tanzen: Was Tanzlehrern wie Yvonne und Timo Weiß im Moment am meisten fehlt
Saskia Helfenfinger-Jeck: Interview "DIE RHEINPFALZ" vom 29.08.2020
Corona hat besonders Sportarten getroffen, in denen Kontakt und Nähe eine große Rolle spielen − etwa das Tanzen. Die ehemaligen Turniertänzer und jetzigen Trainer Yvonne und Timo Weiß erklären, wie sie die vergangenen Monate überbrückt haben und was inzwischen im Training wieder möglich ist.
Frau Weiß, Herr Weiß, wie kann ich mir das vorstellen: 1,50 Meter Abstand können ja gerade beim Standardtanzen schlecht eingehalten werden. Sieht man daher die Tänzer mit Mund-Nasen-Schutz durch die Säle wirbeln?
Timo Weiß: Die Vorgabe ist nach wie vor, dass man immer mit einem festen Partner tanzt. Er muss nicht mehr unbedingt aus dem gleichen Haushalt stammen, wie es anfänglich noch verpflichtend war. Inzwischen ist ein fast regulärer Trainingsbetrieb wieder möglich – allerdings unter Einhaltung der Abstandsregeln zum Partner und zum Trainer. Man kommt – wie es für alle Indoor-Sportarten Vorgabe ist – mit Mundschutz und bereits umgezogen in den Saal, muss die Hände desinfizieren. Auf der Tanzfläche selbst darf der Mundschutz dann abgelegt werden. Für den Tanzsport gibt es keine gesonderte Coronaverordnung. Nach einer Stunde spätestens ist Schluss mit dem Training, weil wir dann komplett durchlüften müssen.
Tanzen hat ja viel mit Nähe, Intimität zu tun. Wie lässt sich das in Coronazeiten realisieren?
Yvonne Weiß: Das ist ganz schwierig. Die Korrektur für uns als Trainer am Paar fällt komplett aus. Viele Paare brauchen taktile Reize, um etwas umzusetzen, das dürfen wir momentan gar nicht machen. Es ist häufig einfacher, etwas Neues zu lernen, wenn man es spürt. Korrigieren können wir nur verbal, aber das ersetzt den direkten Kontakt überhaupt nicht.
Welche Tänze sind denn eigentlich coronakonform?
Yvonne: Da fällt mir in allererster Linie Line-Dance ein.
Timo: Und einige lateinamerikanische Folgen, sogenannte Latin Moves.
Wie lange waren Sie denn zum Nichtstun verdammt?
Timo: Das haben wir mal zurückgerechnet. Es waren im Tanzkreis genau sechs Monate. Wir haben früh den Trainingsbetrieb eingestellt.
Yvonne: Wir haben das Glück, dass wir einen großen Garten haben, dort hätten tanzen können. Aber es gab Tänzer, die die Möglichkeit nicht hatten. Für sie war das eine schwierige Zeit, zumal auch das komplette gesellige Beisammensein wegfällt: unsere gemeinsame Radtour, unser Grillfest, die Weihnachtsfeier. All das mussten wir zwangsläufig auf Eis legen. Für einige unserer Mitglieder ist wirklich ein Stück Leben weggebrochen. Wir als Familie haben mal all das gemacht, wozu man sonst nicht kommt.
Timo: Ganz tanzfrei hatten wir aber nicht. Der Tanzsportverband Rheinland-Pfalz führte als einziger Verband, der Onlinelehrgänge anbietet, im Juni eine Schulung zum Lizenzerhalt für Trainer durch. Per Videokonferenz waren wir interaktiv dabei und haben unsere Lizenz verlängert.
Wie haben Sie den Weg zurück ins Tanztraining gefunden?
Timo: Wir haben einen Hygieneplan erstellt, einen Hygieneverantwortlichen bestimmt. Und natürlich müssen wir für jedes Training Namenslisten führen. Die BASF hat uns Flächen- und Händedesinfektionsmittel zur Verfügung gestellt, so dass wir wieder durchstarten konnten.
Yvonne: Aber noch sind nicht wieder alle Paare im Training. Einige trauen sich nicht, weil sie zur Risikogruppe zählen. Ich muss aber sagen, dass wir sehr disziplinierte Paare haben, die die Vorgaben super umsetzen.
Wie hat Sie Corona als Verein getroffen? Keine Turniere, keine Einnahmen…
Timo: Wir haben das Glück, dass wir als Verein und auch als Trainer nicht davon leben müssen. Aber klar, professionelle Tanzsporttrainer, die Privatstunden geben und davon leben, für die ist einiges weggebrochen. Das gilt auch für die Tanzschulen, die ja plötzlich ihren kompletten Kursbetrieb einstellen mussten.
Yvonne: Das betrifft die gesamte Branche. Das beginnt beim Schneider, der auf das Nähen der Turnierkleider spezialisiert ist, bis hin zum Verlag, der die Tanzmusik produziert.
Timo: Als Verein haben wir momentan noch keine großen Einbußen. Wir haben in der Coronazeit unseren Mitgliedern zwei Monatsbeiträge erlassen, da wir ja kein Training anbieten konnten. Einige Mitglieder haben den Betrag direkt wieder an den Verein gespendet. Gedanken macht man sich schon, wie es weitergeht.
Werfen wir trotzdem mal einen Blick in die Zukunft. Wie geht es im Tanzsport weiter? Corona ist ja nicht von heute auf morgen verschwunden.
Timo: Es weiß niemand, wie es weitergeht. Bis Ende des Jahres hat der Tanzsportverband geraten, alle Turniere abzusagen.
Yvonne: Das ist auch die einzig vernünftige Entscheidung, denn die Teilnehmer bei den Tanzturnieren kommen ja aus allen Teilen Deutschlands. Spannend wird, was uns im Herbst und Winter erwartet: Momentan können wir die Vorgaben mit regelmäßigem Lüften problemlos umsetzen, wenn es aber kälter wird, müssen wir uns etwas überlegen.
Zur Person Yvonne und Timo Weiß
Yvonne und Timo Weiß aus Mutterstadt sind nicht nur ein Ehepaar, sondern tanzen auch seit fast drei Jahrzehnten erfolgreich zusammen. Die beiden besitzen die C-Trainer-Lizenz, sind Fachübungsleiter, langjährige ehemalige Turniertänzer der Latein-Tänze und aktive Turniertänzer der Standard-Tänze (in der S-Klasse, der höchsten deutschen Turnierklasse). Anfang des Jahres haben beide vorerst ihren Rücktritt vom aktiven Tanzsport erklärt, fungieren aber weiterhin als Trainer beim TSC Grün-Gold-Casino Ludwigshafen, dem mit 50 Mitgliedern kleinsten Tanzsportverein der Stadt, sowie beim TSC Rot-Weiß-Casino Maxdorf. Die 44-jährige Physiotherapeutin Yvonne Weiß ist zudem Jugendwartin beim TSC Grün-Gold-Casino Ludwigshafen, ihr Mann Timo, der am heutigen Samstag seinen 46. Geburtstag feiert, ist Vorsitzender des Vereins.